28.-31. August 2023 Engadin und Puschlav
Nein - es ist nicht immer so, dass wenn die Vereinigung für Heimatkunde (www.vfhk.ch) eine Reise unternimmt, immer der Himmel lacht. Und trotzdem - wir haben die Fahrt nach Pontresina bei 6° auf dem Flüelapass und in der luftigen Höhe des Muottas Muragl genossen und uns bei Capuns - auch mit fast keiner Aussicht auf die Seenlandschaft des Oberengadins - bestens vergnügt.
Der zweite Tag startete mit einem Höhepunkt: Fahrt mit dem Berninaexpress in 1. Klasse von Pontresina nach Tirano mit einem atemberaubenden Fotohalt auf der Alp Grüm. Die höchste Bahnstrecke über die Alpen in Europa verbindet den Norden Europas mit dem Süden. Die Gleisführung wurde bewusst nach touristischen Gesichtspunkten angelegt und an den spektakulärsten Aussichtspunkten vorbeigeführt. Beeindruckend, sich dem Kreisviadukt von Brusio zu nähern und dabei den entgegenkommenden roten Zug der RhB seine Schleife drehen zu sehen. Und schlussendlich lieblich der Empfang in Tirano.
Nach der Rückfahrt mit dem Bus ins Puschlav erwartete uns eine Schifffahrt mit der Sassalbo auf dem nach den Unwettern trüben, olivgrünen Lago di Poschiavo, der natürlich durch einen Felssturz bei Miralago entstanden ist. Das Schiff mit Baujahr 1919 in den Werken der Escher Wyss hat viele Stationen hinter sich, bis es der Verein „amici del lago“ gekauft, hergerichtet und seit Mai 2016 durch Freiwillige in Betrieb genommen hat.
Vor dem Abendessen durften wir dann noch den Bio-Kräutergarten der Firma Raselli besuchen und uns demonstrieren lassen, was es alles braucht vom Anbau bis zum fertigen Tee im Portionenbeutel. Auch das Unkrautjäten ist Handarbeit, zum Teil macht sie bis 80 % aus. Nach einem vergnüglichen Apéro und feinem Nachtessen mit Pizzocheri klang der erlebnisreiche Tag aus.
Der nächste Tag begann mit einer Besichtigung von Poschiavo. Unsere Führer zeigten uns die verwinkelten Gassen, wie auch die Palazzi im spanischen Viertel mit ihren schönen Gärten, die von Auswanderern, die ihr Glück als Zuckerbäcker im Ausland versuchten und zum Teil reich heimkehrten, errichtet wurden. Auch hatten wir das Glück Sr. Rita anzutreffen, die uns die Pforten des Klosters öffnete und uns die kürzlich renovierten Räumlichkeiten, die Kapelle und den Kreuzgang besichtigen liess, bevor sie wieder aufs Velo stieg und mit wehendem Gewand davonfuhr. Die freie Mittagspause liess genug Zeit, sich auf dem Markt mit frischen Lebensmitteln aus der Region, handgefertigten Kunstgegenständen und traditionellem Handwerk einzudecken.
Am Nachmittag fuhren wir zu „den Töpfen der Riesen“ am Fuss des Berninamassifs und des Piz Palü. Anfang der neunziger Jahre begann eine Gruppe von Idealisten mit der Freilegung zahlreicher Gletschermühlen, um den heutigen Gletschergarten von Cavaglia zu schaffen, der nunmehr 32 Töpfe umfasst. Atemberaubend der Blick in die Tiefe der Töpfe und die Wirkung, die ihre konzentrische Form auf den Besucher ausübt - unmöglich, sich ihrer Faszination zu entziehen. Dank der unermüdlichen Tätigkeit von Freiwilligen und Spenden können die Mühlen regelmässig von Regenwasser und Laub gereinigt, sowie die Zugänge gepflegt werden. Auch die Schlucht, durch die das viele Wasser der vergangenen Tage noch tosender und ohrenbetäubender herunterfiel, war ein Spektakel der Sonderklasse.
Und bei der Heimfahrt den Berninapass hoch war nach den Unwettern vom vergangenen Wochenende dem glasklaren Wasser des Poschiavino nichts mehr anzusehen.
In Reichenau erwartete uns eine weitere Überraschung. Gian Battista von Tscharner erwartete uns vor seinem Schloss zu einer Führung und anschliessender Weindegustation. Das Herrschaftshaus beim Zusammenfluss des Hinterrheins mit dem Vorderrhein an einer strategisch gut gelegenen Stelle als Brücken- und Zollort wurde um 1190 erbaut. Nach einigen Wechseln verschiedener Familien und auch als Privatschule kam es schlussendlich durch Heirat zur Familie von Tscharner, die es heute als Weingut nutzt. Nach Besichtigung der Kapelle, des Zimmers von Louis Philippe, Duc d’Orleans (Thronfolger des französischen Königs Ludwig XIII), und des Spiegelsaals durften wir im Esszimmer mit Platz nehmen und zur Degustation übergehen. Gereicht wurden 6 Weine, vom Weissen über den Rosé bis zum Roten.
Nach dem Mittagessen auf dem Ricken wartete noch der süsse Schlusspunkt dieser Reise auf uns: der Besuch bei der Firma Läderach in Bilten.
Mit vielen Eindrücken und neuen Erkenntnissen reich beglückt, sind wir alle wieder gesund nach Hause gekehrt.
Lotti Heller - Mitglied des Vorstands der Vereinigung für Heimatkunde -, die sich enorm dafür eingesetzt hat, damit wir eine solch abwechslungsreiche Reise geniessen durften, hat sich dieses Mal übertroffen. Es gebührt ihr ein grosses Lob und herzlichen Dank für ihre Hartnäckigkeit in der Planung, damit alle ihre vorgegebenen Vorstellungen schlussendlich durch Eurobus umgesetzt wurden.
Vrena Moritzi Schmid