15. Juni 2023 Traditionsreiches Appenzellerland
Es war nicht einfach, die in Herisau gut versteckte barocke Gartenanlage mit seinen prächtigen Rosen zu finden. Der kleine Park ist ein Ort der Erholung und der Begegnung. Vom grazilen Lusthäuschen im französischen Régence-Stil aus dem Jahre 1737 kann man in die auf drei Etagen gestalteten Anlage hinuntersteigen und eine wunderbare Aussicht geniessen. Diese Oase mitten in Herisau wurde von der Steinegg-Stiftung instand gestellt und für die Öffent-lichkeit zugänglich gemacht - und im August wird der sogenannte Rosengartentag gefeiert.
Wir fuhren weiter zum idyllischen Herisauer-Weiler Schwänberg, die älteste, urkundlich erwähnte Siedlung im Appenzellerland mit Baudenkmälern aus sechs Jahrhunderten an der ehemaligen Strasse vom Bodensee ins Toggenburg. In einem Haus mit Turmrumpf durften wir die alte Küche mit dem Rutenkamin besichtigen, das noch heute benützt wird. Im sogenannten „Alten Rathaus Schwänberg“, einem herrschaftlichen, vor gut 30 Jahren restaurierten Fachwerkbau von 1630, erlebten wir eine sehr interessante Führung. Auf dem Rundgang konnte man in der kleinen Stube volkstümliche Deckenschablonenmalereien bestaunen; in der mit viel Licht durch die Bandfenster durchfluteten Hauptwohnstube - noch weitgehend in originalem Zustand - geschnitzte Holztüren, Kachelofen, Appenzeller-Möbel. Im Obergeschoss zeigt eine Ausstellung historische Schaustücke, wie Webstuhl, Spinnrad, Spindel. Ein Rutenkamin war vom Treppenhaus aus ebenfalls zu sehen. Das Kulturobjekt gehört der Schwänberg-Stiftung und steht unter Heimatschutz.
Nach dem Mittagessen in Teufen in einer wunderschönen Gaststube mit wohltuend freundlichen Gastgebern und vorzüglichem Menü gehörte unsere ganze Zeit Trogen, dem Dorf mit den imposanten Steinpalästen aus dem 18. und 19. Jahrhundert - vor allem rund um den Landsgemeindeplatz -, einem Ortsbild von nationaler Bedeutung. Die Familien Zellweger und Honnerlag, die im Fernhandel für die Textilindustrie tätig waren und zu ausserordentlichem Reichtum kamen und auch eine kluge Heiratspolitik pflegten, zeichneten für diese Architektur mit südländischem Flair verantwortlich.
In der reformierten Kirche, ebenfalls am Landsgemeindeplatz, ist gemäss schriftlichen Quellen der flachtonnengewölbte Innenraum vielleicht der festlichste und am reichhaltigsten ausgeschmückte des reformierten Barocks in der Schweiz. Vor allem auch interessant der sehr enge und steile Aufstieg in die Kornschütte über der Kirchendecke mit offenem Dachstuhl. Mit einem imposanter Kran aus mächtigen Balken wurde das Korn, das schon früher aus Russland importiert wurde, in den Dachstock hinaufgezogen.
Als letztes besichtigten wir noch den sogenannten Fünfeckpalast, ein Steinpalast, bestehend aus drei Gebäudeflügeln, die um einen Innenhof zu einem Baukörper mit fünf Ecken gefügt sind. Durch die imposante ehemalige Einfahrt für Pferdewagen gelangt man zum Innenhof und dann über das breite, herrschaftliche Treppenhaus nach oben in die Zellweger-Wohnung.
Die Wohnung befindet sich im Originalzustand, wie sie die letzte familiäre Besitzerin des Palastes, Thea Zapasnik, hinterlassen hat. Aus den vielen Ahnenportraits, die in allen Räumen präsent sind, kann man den Stammbaum der Familie Zellweger weitgehend erlesen. Vom Salon aus wandert man durch zu die verschiedenen Räume, wie Schlafzimmer, Badezimmer und die Küche. Man bekommt das Gefühl, dass die Bewohnerin jeden Moment vom Einkauf auf dem Markt auf dem Landsgemeindeplatz zurückkehren und eintreten könnte.
Herzlichen Dank an Lotti Heller, Vorstandsmitglied in der www.vfhk.ch, die keine Mühe gescheut hat, für uns eine interessante Exkursion zu rekognoszieren und uns die Augen für diese lieblichen Flecken im schönen, hügeligen Appenzellerland zu öffnen.
Vrena Moritzi Schmid